Sarkopenie - Übersicht
- Yuli Lam
- 21. Aug.
- 4 Min. Lesezeit
Aktualisiert: 15. Sept.

Sarkopenie leitet sich vom griechischen Ausdruck für „Armut des Fleisches“ ab und wurde erstmals 1989 von Rosenberg beschrieben.
Sie ist definiert als ein altersbedingter Verlust von Muskelmasse und Muskelkraft, ein natürlicher Prozess, dass alle Menschen betrifft (Myung-Rae Cho et al. ,2022).
Laut Janssen und Ross (2005) nimmt die Skelettmuskelmasse ab den 45. Lebensjahr um etwa 6 % pro Jahrzehnt ab. Dieser Wert basiert auf einem Mittelwert aus mehreren Längsschnittdaten (Janssen et al., 2000). Somit hat eine Person im Alter von 85 Jahren im Durchschnitt etwa ein Viertel der Muskelmasse verloren, die sie im Alter von 45 Jahren besaß.
Der absolute und relative Rückgang bei Männern scheint größer zu sein als bei Frauen (Janssen I. et al., 2000).
Das Altern kann nicht verhindert werden, da es ein natürlicher Prozess des Lebens ist.
URSACHEN
Ein wichtiger Aspekt scheint die reduzierte Anzahl an Motoneuronen zu sein, die mit einer verminderten Muskelkraft einhergeht und ein erhöhtes Risiko für bspw. Stürze darstellt. Die neuronale Innervation scheint ein wichtiger Faktor für die Aufrechterhaltung der Muskelfasern zu sein.
Der Alterungsprozess ist mit einer Abnahme anaboler Stimuli der Muskulatur verbunden - Das bedeutet die Reaktionen des Stoffwechsels auf bestimmte Bestandteile (z.B. Proteine) werden weniger.
Gleichzeitig kommt es zu einem Aufbau kataboler Stimuli, wie die vermehrte Produktion von entzündlichen Zytokinen, die den Muskelproteinmetabolismus beeinflussen.
Die Abnahme der Sexualhormone Östrogen und Testosteron, die einen anabolen Effekt auf die Muskulatur hat, sowie die Abnahme von Wachstumshormonen und der Insulinsensitivität könnten eine Rolle bei Sarkopenie spielen (Janssen und Ross, 2005).
PATHOPHYSIOLOGIE
Sarkopenie umfasst Veränderungen auf verschiedenen Ebenen (Myung-Rae Cho et al., 2022):
Muskularer Ebene:
Muskel Atrophie
Muskelzusammensetzung (weniger Typ-II Fasern)
Zellularer Ebene:
weniger Satelitenzellen für Zellheilung
entzündliche Zytokine → fördern u.a. Muskelabbau
weniger intrazelluläre Masse und relativ mehr extrazelluläre Masse im Vergleich zu jüngeren Menschen → Zellen lagern sich zwischen Muskelfasern ab
Ansammlung von Lipidzellen kann Insulin-Signalkaskade in Muskelzellen stören → abgeschwächte Aktivierung von Substraten (Janssen und Ross, 2005)
Neuronaler Ebene:
Denervierung → Abnahme der Anzahl und Frequenz der motorischen Einheiten
reduzierte Anzahl der Motoneuronen steht im Zusammenhang mit Muskelkraft, da neuronale Innervation wichtig ist für die Aufrechterhaltung der Muskelfasern und damit auch der Muskelmasse (Janssen und Ross, 2005)
Stoffwechsel Ebene:
anabole Response wird schlechter
vor allem Proteinsynthese weniger aktiv
Hormoneller Ebene:
Senkung von Testosteron + Östrogen, die anabolen Effekt auf Muskulatur haben
Steigung von katabolen entzündlichen Zytokinen
All diese Faktoren scheinen zur Sarkopenie beizutragen. Welche dieser Variablen die größte Bedeutung hat, ist noch unklar.
DIAGNOSE
Klinische Untersuchungen sind sinnvoll, wenn folgende Symptome oder Anzeichen auftauchen:
Schwächegefühl
langsames Gehen
Schwierigkeiten beim Aufstehen vom Stuhl
Gewichtsverlust/Muskelabbau
Sturzsituationen aufgrund von fehlender Muskelkraft
Verschiedene Verfahren helfen, um Sarkopenie zu diagnostizieren:
SARC-F-Fragebogen oder Ishii-Screening-Tools
Muskelkraft durch Handgriffkraft (Jamar- oder Smedley-Dynamometer) oder Chair-Stand-Test (fünfmaliges Aufstehen aus dem Sitzen in ≤ 30 Sekunden)
Muskelmasse durch
DXA oder BIA
CT + MRT als genaueste Methode, weil es lassen sich Querschnittsbilder in jeder Körperregion erstellen
Muskelbiopsie
körperliche Leistungsfähigkeiten durch Gehgeschwindigkeit oder 4-m-Gehtest
(≤ 0,8 m/s),
SPPB (Short Physical Performance Battery,
≤ 8 Punkte),
TUG-Test (Timed-Up-and-Go, ≤ 20 sec.)
400-m-Geh-Test
Laut European Working Group on Sarcopenia in Older People (EWGSOP, 2010):
niedrige Muskelkraft (LMS) durch Handgriffstärke von < 30 kg bei Männern und < 20 kg bei Frauen
niedrige Muskelmasse (LMM) durch einen Skelettmuskelmassen-Index (SMM-Index):
< 8,90 kg/m²
niedrige körperliche Leistungsfähigkeit (LPP) durch Gehgeschwindigkeit von < 0,8 m/s
Die Autoren Myung-Rae Cho et al. (2022) haben in ihrem Review einen Diagnose-Ablauf nach "the Asian Working Group of Sarcopenia" grafisch dargestellt (Abbildung 1).

ASIATISCHE KRITERIEN
Die Asian Working Group for Sarcopenia (AWGS) entwickelte eigene Richtlinien für Asiaten, da sie durchschnittlich kleiner sind und einen anderen Lebensstil führen.
Ihre Werte sind niedriger als die westlichen Diagnosekriterien, z.B.:
Niedrige Muskelkraft (LMS) durch Handgriffstärke gilt für westliche Bevölkerung bei < 30 kg bei Männern und < 20 kg bei Frauen.
Für Asiaten liegen die Werte bei < 26 kg bei Männern und < 16 kg bei Frauen.
BEHANDLUNG
Es gibt bisher keine Behandlung gegen Sarkopenie, jedoch Behandlungsstrategien gegen einzelne Faktoren, die zu Sarkopenie beitragen (Janssen und Ross, 2004).
Vor allem Krafttraining und die Anpassung der Proteinzufuhr bei älteren Menschen scheinen sehr vielversprechende Strategien zu sein, um Sarkopenie entgegenzuwirken.
FAZIT
Sarkopenie ist ein altersbedingter Verlust von Muskelmasse und -kraft, dass nicht aufgehalten werden kann. Obwohl es ein natürlicher Prozess ist, können die Folgen jedoch die Gesundheit gefährden, da die Wahrscheinlichkeit bspw. eines Sturzes bei schwacher Skelettmuskulatur erhöht ist.
Die pathophysiologischen Veränderungen führen zu einer Störung der Homöostase.
Anders als bei jungen Menschen ohne Sarkopenie, besitzen betroffene Patient*innen weniger Zellen, die beschädigte Fasern reparieren können. Stoffwechselabläufe sind durch ein Ungleichgewicht von anabolen und katabolen Prozesse gestört, wie z.B. die Fettoxidation oder die Proteinsynthese. Aufgrund der anabolen Resistenz müssen ältere Menschen intensiver trainieren und deutlich mehr Proteine essen als jüngere Menschen, um den gleichen Effekt zu erzielen.
Durch die fehlende Reperatur beschädigter Zellen kann es zu einer Verringerung der Muskelfaserversorgung und Denervierung.
Sie wirken sich folgend auf die neuronale Ansteuerung, Koordination, Muskelkraft und Körperfettmasse aus.
Als wichtigster Parameter zu Vorbeugung von gesundheitlichen Folgen, wie Stürze, ist die Muskelkraft (Myung-Rae Cho et al., 2022).
Unabhängig von den Diagnostik-Testungen ist ein Krafttraining sinnvoll, um Muskelkraft aufzubauen - sowohl für jüngere und ältere Menschen.
Dieser Artikel bedient sich vor allem dem Review von Myung-Rae Cho et al. (2022).
Der Ernährungsaspekt wurde hier nicht berücksichtigt. Mehrere Studien beschäftigen sich mit der Proteinzufuhr im höheren Alter. Durch den verschlechterten Proteinstoffwechsel scheint es eine Lücke zu geben zwischen Bedarf und Aufnahme.
Aufgrund des Umfangs des Themas wird dies separat in einem anderen Artikel behandelt.
Wichtig zu erwähnen ist, dass es sich bei diesem Artikel nicht um einen systematischen Review handelt. Während der Recherche wurden weder Such-Termen noch die PRISMA-Methodik angewendet. Es könnten zahlreiche andere Quellen geben mit anderen Aussagen.
Quellen:
Myung-Rae Cho, Sungho Lee, Suk-Kyoon Song. A Review of Sarcopenia Pathophysiology, Diagnosis, Treatment and Future Direction. Journal of Korean Medical Science, 4. Mai 2022; 37(18): e146. Janssen I., Ross R. .Linking age-related changes in skeletal muscle mass and composition with metabolism and disease. The Journal of Nutrition Health and Aging, 2005; Vol 9(6):408-19.
Janssen I., Heymsfield S. B., Wang Z. M., Ross R. .Skeletal muscle mass and distribution in 468 men and women aged 18-88 yr. J Appl Physiol (1985). 2000 Jul;89(1):81-8. doi: 10.1152/jappl.2000.89.1.81.
Alfonso J. Cruz-Jentoft et al. (2010). Sarcopenia: European consensus on definition and diagnosis. Age Ageing. 2010 Apr 13;39(4):412–423. doi: 10.1093/ageing/afq034



